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Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: „Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor“

Erst 19.000 der geplanten 100.000 „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge wurden bisher beantragt. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Details über die Teilnehmer oder den Erfolg der Maßnahmen nennt die Bundesregierung aber nicht. Die Zuständigkeit liege bei den nach Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Kommunen.

Mit einer kleinen Anfrage haben sich die Grünen im Bundestag über die „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge erkundigt. Eine Antwort haben sie nur zur Zahl der beantragten und genehmigten Plätze erhalten, und die ist ernüchternd: Die Länder und Kommunen nehmen das Angebot kaum in Anspruch. Die Bundesländer haben nach einem halben Jahr (Stand 16. Januar) nicht einmal ein Fünftel (rund 19.000) der geplanten 100.000 Plätze, die pro Jahr besetzt werden sollen beantragt, 13.000 wurden bisher genehmigt. Das Saarland und Hamburg haben gar keine Plätze beantragt. Im Vergleich zum November 2016 ist die Zahl der beantragten Plätze allerdings um rund 6.800 gestiegen, die Zahl der genehmigten Plätze nahm um 6.500 zu.

Wie viele der beantragten Plätze auch tatsächlich an Flüchtlinge vergeben wurden, dazu schweigt die Bundesregierung. Sie habe „keine Erkenntnisse dazu, wie viele Asylsuchende bisher eine Flüchtlingsintegrationsmaßnahme begonnen haben. Derartige teilnehmerbezogene Daten werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ im Auftrag der Bundesregierung durchführt, nicht erfasst. Der Vollzug des Asylbewerberleistungsgesetzes liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Länder, die dieses Gesetz als eigene Angelegenheit ausführen. Die BA ist demnach nur für die Bewilligung der Anträge sowie für die Abrechnung und Erstattung der Maßnahmekosten sowie der Mehraufwandsentschädigung für die Teilnehmenden zuständig“, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage.

Besetzte Plätze: Regierung hat keine Informationen, Bundesagentur für Arbeit schon

Seltsam, denn O-Ton Arbeitsmarkt hat im November letzten Jahres eine Auswertung der BA auch über die bisher besetzten Plätze erhalten (O-Ton berichtete). Bundesweit waren zu diesem Zeitpunkt rund 4.400 von etwa 12.000 beantragten Plätzen besetzt, bei deutlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern. Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten im November die Hälfte ihrer eingeplanten Stellen besetzt, Thüringen erreichte 43 Prozent, Nordrhein-Westfalen 39 Prozent und Bayern 34. Die übrigen Länder hatten erst (teils deutlich) weniger als ein Drittel der beantragten Stellen besetzt, Bremen und Berlin konnten noch keine der beantragten Stellen besetzen.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM), Sonderauswertung.

Auf Nachfrage bei der BA erklärt diese dementsprechend auch, dass sie sehr wohl Informationen über die besetzten Plätze habe. Diese Daten seien in der Auswertung für die kleine Anfrage enthalten. Rund 12.500 der 13.000 genehmigten Plätze seien besetzt. Warum die Bundesregierung diese Informationen in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage nicht nutzt, ist fraglich.

Quelle: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – Aktueller Stand, Probleme, Perspektiven, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen

Weitere Informationen über die Teilnehmer, wie zum Beispiel Staatsangehörigkeit oder Geschlecht oder auch zu Problemen oder Erfolge bei der Umsetzung der Maßnahmen, nennt die  Bundesregierung ebenfalls mit Verweis auf die fehlende Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit nicht. Auch eine wissenschaftliche Evaluation ist trotz dieses Informationsdefizits nicht vorgesehen. Ebenso wenig gibt es Pläne, auf die schleppende Inanspruchnahme zu reagieren. Auf die Frage der Grünen, welche Schritte die Bundesregierung im Jahr 2017 plane, um die FIM einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen antwortete die Bundesregierung: „Derzeit gibt es hierzu keine konkreten Planungen.“

FIM sind sinnlose Wartejobs?

Die Zielgruppe der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit einer maximalen Dauer von sechs Monaten sind Volljährige mit guter Bleibeperspektive, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist. Die FIM sind damit „Warte-Ein-Euro-Jobs“ für die Zeit zwischen Antrag und endgültigem Bescheid und damit für einen Zeitraum, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMAF) immer mehr verkürzen soll und will.

Genau das könnte einer der Gründe für das zurückhaltende Interesse sein. Unter den Ländern, die bisher keine oder nur wenige FIM besetzt beziehungsweise beantragt haben, sind auch die Länder mit den kürzesten Bearbeitungsdauern wie das Saarland und Sachsen-Anhalt. Hier könnte es sich schlicht nicht lohnen, einem Flüchtling mit guter Bleibeperspektive eine FIM anzubieten. Anerkannten Flüchtlingen stehen im Übrigen alle regulären arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen offen, darunter auch die herkömmlichen Ein-Euro-Jobs.

 

 

Zum Weiterlesen:

Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – Aktueller Stand, Probleme, Perspektiven, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen (Drucksache 18/11039)