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Amerikanische Forscher entlarven Vorurteile gegenüber Langzeitarbeitslosen

(o-ton) Trotz zahlreicher offener Stellen kommen Langzeitarbeitslose in den USA nicht in Arbeit. Der Grund: Arbeitgeber scheuen sich, sie einzustellen. Das zeigen Wissenschaftler der Northeastern University Boston. Sie verschickten fiktive Bewerbungen von Lang- und Kurzzeitarbeitslosen und stellten fest: Bei identischer Qualifikation erhielten die Langzeitarbeitslosen deutlich weniger Antworten.  

Steigt das Angebot an Arbeitsplätzen, sinkt die Arbeitslosigkeit. Dieser eigentlich logische Zusammenhang ließ sich in den USA zuletzt nicht mehr beobachten. Ein steigendes Angebot an Arbeitsplätzen stand einer gleichbleibenden oder nur mäßig sinkenden Arbeitslosenzahl gegenüber. Rand Ghayad und William Dickens, Wissenschaftler der Northeastern University Boston, untersuchten die Gründe hierfür und kamen zu dem Ergebnis: Kurzzeitarbeitslose kommen in Arbeit, Langzeitarbeitslose kaum. Arbeitsstellen bleiben also frei, weil sie nicht mit Langzeitarbeitslosen besetzt werden, so die Forscher.

Zum Vergleich betrachteten die Wissenschaftler die 70er Jahre. Auch zu dieser Zeit stand ein steigendes Angebot an Arbeitsplätzen einer gleichbleibenden oder nur mäßig sinkenden Arbeitslosenzahl gegenüber. Allerdings konzentrierte sich das Problem damals nicht lediglich auf die Langzeitarbeitslosen. Auch Kurzzeitarbeitslose blieben arbeitslos. Stattdessen konzentrierte sich die Arbeitslosigkeit bei Industriearbeitern. Laut Ghayad und Dickens ein Indiz dafür, dass Bewerber und freie Stellen qualifikatorisch nicht zusammenpassten. Aktuell betrifft die Arbeitslosigkeit aber alle Branchen und Qualifikationsniveaus.

Geringe Arbeitsmarktchancen für Langzeitarbeitslose: Mismatch oder Vorurteile?

Ghayad und Dickens schlussfolgern: Die aktuell hohe Arbeitslosigkeit bei steigender Nachfrage nach Arbeitskräften hat andere Gründe, wie zum Beispiel Vorurteile der Arbeitgeber gegenüber Langzeitarbeitslosen. Ghayad belegte dies, indem er etwa 4.800 fiktive Bewerbungsschreiben von Lang- und Kurzzeitarbeitslosen mit identischer Qualifikation verschickte. Im Gegensatz zu den Kurzzeitarbeitslosen wurden die Langzeitarbeitslosen fast nie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. „Es ist nicht so, dass Firmen keine passenden Mitarbeiter finden, sondern dass sie die Langzeitarbeitslosen ausblenden“, so Ghayad.

Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin hoch. Langzeitarbeitslose profitieren aber kaum von der guten Arbeitsmarktlage. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren, anders als bei den Kurzzeitarbeitslosen, nur moderat gesunken. Aus Arbeitslosigkeit heraus eine Beschäftigung finden in erster Linie die arbeitsmarktnäheren Kurzzeitarbeitslosen (SGB III). Von ihnen gingen im Jahresdurchschnitt 2012 monatlich 14,1 Prozent in Beschäftigung. Bei den mindestens ein Jahr Arbeitslosen im SGB II-System („Hartz IV“) hingegen waren es nur 3,2 Prozent (O-Ton berichtete). Bei allen Unterschieden zwischen dem deutschen und amerikanischen Arbeitsmarkt lassen sich hier durchaus Parallelen ziehen.

Zum Weiterlesen:

Rand Ghayad / William Dickens, What Can We Learn by Disaggregating the Unemployment-Vacancy Relationship?

Matthew O’Brien, The Terrifying Reality of Long-Term Unemployment