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Trotz Sonderprogrammen – Abbau der Förderung von Langzeitarbeitslosen geht unter Nahles weiter

Die Bundesprogramme für Langzeitarbeitslose von Ministerin Nahles laufen schleppend an.  Die Jobcenter haben nur einen Teil der möglichen Stellen beantragt. Selbst wenn die geplanten Teilnehmerzahlen noch erreicht werden sollten: In ihrer Amtszeit nehmen weniger Personen an Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung teil.  

Ende 2014 kündigte Arbeitsministerin Nahles zwei Sonderprogramme gegen die Langzeitarbeitslosigkeit an (O-Ton berichtete). Mit dem aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierten Programm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit und dem Programm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt sollen zusammen 43.000 Betroffene auf subventionierten Arbeitsplätzen gefördert werden.

Im ESF-Programm geht es um mindestens zwei Jahre Langzeitarbeitslose über 35 Jahre und ohne (verwertbaren) Berufsabschluss, die bei Arbeitgebern in der Privatwirtschaft untergebracht werden und degressive Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 Prozent erhalten sollen. Für länger als fünf Jahre Arbeitslose mit einem weiteren Vermittlungshemmnis ist eine Intensivförderung vorgesehen (O-Ton berichtete).

Das Programm Soziale Teilhabe richtet sich an besonders schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Kindern im Haushalt, die bei arbeitsmarktpolitischen Trägern einen zu 100 Prozent staatlich finanzierten und sozialversicherungspflichtigen Job auf Mindestlohn-Niveau erhalten.

Schleppender Start der Sonderprogramme

Inzwischen läuft das ESF-Programm zwölf und Soziale Teilhabe sechs Monate, doch der Teilnehmerbestand liegt erst bei rund 6.200 Personen. Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, hält die Programme daher für einen Flop.

Das Ministerium hingegen argumentiert, man sei noch in der Anlaufphase und der Teilnehmerbestand müsse sich erst aufbauen. Das sei besonders beim ESF-Programm einkalkuliert, denn es gestalte sich schwierig, Arbeitgeber für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen zu gewinnen. Die Vorarbeiten zu den Programmen laufen allerdings bereits seit Sommer 2014 in den Jobcentern.

entwicklung-bupro Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihen zu ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – Deutschland, Länder, Regionaldirektionen

Zudem sinken die Zugangszahlen zum Programm Soziale Teilhabe sogar seit Anfang des Jahres. Im April gab es nur noch 93 Neuzugänge. Auch beim ESF-Programm stagniert die Zahl der Neuzugänge seit November 2015 bei um die 650 Personen. Im April gab es mit rund 900 Personen aber wieder mehr Zugänge.

Jobcenter finden kaum geeignete Teilnehmer

Aktuell hat das ESF-Programm erst 14 Prozent der geplanten Teilnehmerzahlen erreicht, Soziale Teilhabe 15 Prozent. Seit Beginn erhöhte sich der Bestand im Programm Soziale Teilhabe durchschnittlich um lediglich 250 Personen und im ESF-Programm um 430 Personen. Sollte das derzeitige Tempo nicht deutlich gesteigert werden, sind die Zielgrößen von 10.000 Teilnehmern bis 2018 (Soziale Teilhabe) beziehungsweise 33.000 bis 2020 (ESF) nicht erreichbar.

Bereits vor Beginn der Programme beanstandeten einige Jobcenter, die Auswahlkriterien insbesondere für das ESF-Programm seien zu aufwendig gestaltet. In einer Befragung des Hessischen Städtetags wiesen sie darauf hin, dass die spezielle Zielgruppe nicht automatisch aus der Fachsoftware ermittelt werden könne, sondern im Einzelfall überprüft werden müsse. Für die geringe Teilnehmerzahl von 60 Personen seien beispielsweise in Hessen etwa 1.300 Gespräche zu führen. Zudem erwarte man wenig Nutzen für die Teilnehmer (O-Ton berichtete).

Bundesweit beteiligen sich so auch nur 336 der 408 Jobcenter am ESF-Programm. Statt mit den von Seiten des Ministeriums anvisierten 33.000 Arbeitsplätzen planen diese mit nur 24.100. Das BMAS rechtfertigt diese Zahl damit, es handle sich hier um eine „erste Phase“.

Dennoch hat man die Zielgruppe Ende Februar erweitert und die anfänglich sehr restriktiven Auswahlkriterien gelockert, um mehr Teilnehmer in das Programm zu bringen – eine Erklärung für den plötzlichen Anstieg der Zugangszahlen im April.

Weniger öffentlich geförderte Beschäftigung unter Nahles

Doch selbst wenn die anvisierte Teilnehmerzahl von 43.000 Personen im Laufe der Programme noch aufgebaut wird: Es werden insgesamt weniger Menschen an Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung teilnehmen, als es bei Amtsantritt von Andrea Nahles der Fall war. Mit den geplanten 43.000 Teilnehmern an den Sonderprogrammen und der aktuellen Zahl der Teilnehmer an den übrigen Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung würden rund 130.000 Personen erreicht. Im September 2013 waren es noch über 160.000.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihen zu ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – Deutschland, Länder, Regionaldirektionen, eigene Darstellung

Bei mindestens einer Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland (Statistik schönt Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit, O-Ton berichtete) wird Nahles‘ Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit seinem Anspruch daher kaum gerecht.

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihen zu ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – Deutschland, Länder, Regionaldirektionen

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Programm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt

Bundesverwaltungsamt, LZA-Dokumente (Bundesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit)

Bundesverwaltungsamt, Neuigkeiten zum ESF-Förderprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit

Brigitte Pothmer MdB, Job-Programme für Langzeitarbeitslose floppen

Prof. Dr. Stefan Sell, Programmitis als Krankheitsbild in der Arbeitsmarktpolitik: Wenn das „Wir tun was“ für die Langzeitarbeitslosen verloren geht im hyperkomplexen Raum der Sonderprogramme, die in der Realität scheitern müssen, in: Aktuelle Sozialpolitik, 12.3.2016