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Warum es in Deutschland „nur“ rund 3 Millionen Arbeitslose, aber 7 Millionen Hartz IV- und Arbeitslosengeldempfänger gibt

(o-ton) Fast drei Millionen Arbeitslose zählte die offizielle Statistik im April 2014. Doch mit über 7 Millionen waren deutlich mehr als doppelt so viele Menschen in Deutschland abhängig von Arbeitslosengeld oder Hartz IV-Leistungen – darunter etwa 1,7 Millionen Kinder. Denn nur einen Teil derer, die ihren Lebensunterhalt mit staatlicher Unterstützung bestreiten müssen, zählt die Bundesagentur für Arbeit auch tatsächlich zu den Arbeitslosen.

Monat für Monat verkündet die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Arbeitslosenzahl. Doch sie ist nur die Spitze des Eisberges all jener Menschen, die in Deutschland Arbeitslosengeld I oder Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) erhalten. Der Hintergrund: Nicht alle Leistungsempfänger gelten als Arbeitslose im Sinne der Statistik.

So erklärt sich, dass es im April (bei einigen Daten aktuellste verfügbare Werte aufgrund von Wartezeiten in der Statistik) zwar „nur“ 2,94 Millionen Arbeitslose gab, aber über 6,16 Millionen Menschen Hartz IV-Leistungen und 965.000 Arbeitslosengeld I bezogen. Abzüglich der Doppelbezieher von Arbeitslosengeld und Hartz IV-Leistungen, etwa 100.000 Personen (aktuelle Zahlen sind nur mit Wartezeit verfügbar, im Februar 2014 waren es 112.688 Menschen) gab es damit insgesamt mehr als 7 Millionen Leistungsempfänger.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosengeld nach dem SGB III – Deutschland, April 2014, Tabelle 1; Bundesagentur für Arbeit, Aktuelle Eckwerte der Grundsicherung SGB II, Tabelle 3 und Bundesagentur für Arbeit, Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Juni 2014, S.24.

Nicht Arbeitslos: Unterbeschäftigte, Aufstocker, keine Arbeit Suchende…

Trotz Leistungsbezug nicht zu den Arbeitslosen im Sinne der offiziellen Statistik gehören für die Bundesagentur für Arbeit zum einen die sogenannten Unterbeschäftigten und zum anderen Leistungsempfänger, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stehen. Auch Personen, die zwar Arbeit haben, aber dennoch Hartz IV-Leistungen erhalten, die umgangssprachlichen Aufstocker, zählen zu dieser Gruppe.

Die Unterbeschäftigten, die die BA in einer Art Nebenstatistik zur Arbeitslosenzahl führt, sind zwar de facto arbeitslos, gelten für die Statistik aber nicht als solche, weil sie an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen, über 58 Jahre alt sind und innerhalb eines Jahres kein Jobangebot erhalten haben oder schlicht am Tag der Erfassung krankgeschrieben waren (O-Ton berichtete). Im April 2014 summierten sich die „Arbeitslosen“ aus der Unterbeschäftigungsstatistik und die „offiziell“ Arbeitslosen aus der Arbeitslosenstatistik auf 3,78 Millionen Menschen. Bei dieser Zahl (Unterbeschäftigte im engeren Sinne) nicht berücksichtigt sind die Personen, die aus Arbeitslosigkeit heraus eine Selbstständigkeit aufbauten und dabei finanzielle Unterstützung erhielten, Personen in Altersteilzeit und Kurzarbeiter.

Personen, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stehen, widmen sich unter anderem der Kindererziehung, pflegen Angehörige, sind im Vorruhestand oder machen eine Ausbildung. Die Aufstocker arbeiten zwar mindestens 15 Stunden die Woche, erhalten aber zusätzlich zu ihrem geringen Gehalt Hartz IV-Leistungen beziehungsweise verdienen zum Hartz IV-Bezug hinzu. Im Hartz IV-System gelten über die Hälfte der Leistungsempfänger im erwerbsfähigen Alter als nicht arbeitslos (O-Ton berichtete).

Ebenfalls Leistungsempfänger und tatsächlich nicht arbeitslos sind die so genannten „nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten“, zu 95 Prozent Kinder unter 15 Jahren, die in Hartz IV-Haushalten leben. An sie – im April über 1,7 Millionen – wird Sozialgeld gezahlt.

Zahl der Leistungsempfänger 2013 wieder gestiegen

Zwischen 2006 und 2012 ist die Zahl aller Leistungsempfänger (einschließlich Kinder) deutlich von über 8,85 auf 7,04 Millionen gesunken. 2013 gab es allerdings wieder einen Anstieg auf 7,1 Millionen Menschen. Auch die Gesamtzahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung und im Hartz IV-System (ohne Kinder) folgte dieser Entwicklung. Sie sank von 6,9 Millionen im Jahr 2006 auf 5,3 Millionen im Jahr 2012 und stieg 2013 wieder auf 5,4 Millionen an.

Der Gesamtrückgang fand sowohl in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) als auch im Hartz IV-System (SGB II) statt, war dort allerdings deutlich schwächer. So nahm die Zahl der Arbeitslosengeldempfänger zwischen 2006 und 2013 um 35 Prozent von 1,5 Millionen auf 975.000 ab, die der Bezieher von Leistungen aus der Grundsicherung um 18 Prozent von 5,4 auf 4,4 Millionen.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Bestand an Arbeitslosen nach Rechtkreis – Zeitreihe, Februar 2014; Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihe zu Strukturen der Eckwerte und Geldleistungen nach dem SGB II – Deutschland mit Ländern; Sonderauswertung Anzahl ALG-Empfänger insgesamt und mit Status arbeitslos, März 2014, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt.

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslose nach Rechtskreisen, Deutschland nach Ländern, Juni 2014

Bundesagentur für Arbeit, Aktuelle Eckwerte der Grundsicherung SGB II, Juni 2014

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosengeld nach dem SGB III – Deutschland, April 2014, Tabelle 1

Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihe zu Strukturen der Eckwerte und Geldleistungen nach dem SGB II – Deutschland mit Ländern, Juni 2014

Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihe zur Arbeitslosigkeit seit 1950 nach Strukturmerkmalen (Monats-/Jahreszahlen) – Deutschland, Tabelle 2.1.1

Bundesagentur für Arbeit, Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende Juni 2014, S.24

Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung Anzahl ALG-Empfänger insgesamt und mit Status arbeitslos, März 2014

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosigkeit (Definition)