42 Millionen Erwerbstätige sind nicht gleich 42 Millionen „normal“ Beschäftigte

(o-ton) Im September 2013 waren laut Statistischem Bundesamt 42,1 Millionen Menschen erwerbstätig. Doch als Erwerbstätigkeit definiert die Statistikbehörde jedwede entlohnte Beschäftigung von mehr als einer Wochenstunde. Die mehr als 42 Millionen Erwerbstätigen stehen also keinesfalls allesamt in einem „normalen“, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Zu ihnen zählen unter anderem auch Mini- und Ein-Euro-Jobber sowie bezahlte Praktikanten.

„Im September 2013 waren … insgesamt 42,1 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig. Damit wurde zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung Deutschlands die 42 Millionen-Marke überschritten.“ Diese Jubelmeldung verbreitete das Statistische Bundesamt (Destatis) gestern.

Doch wer bei über 42 Millionen Erwerbstätigen an 42 Millionen Menschen mit einem „normalen“, also sozialversicherungspflichtigen Voll- oder Teilzeitjob denkt, liegt daneben. Denn das Statistische Bundesamt definiert als Erwerbstätige alle über 15-Jährigen, die irgendeiner Art von Arbeit nachgehen. Entscheidend ist, dass sie „in der Berichtswoche zumindest eine Stunde gegen Entgelt (Lohn, Gehalt) oder als Selbständige bzw. als mithelfende Familienangehörige gearbeitet haben oder in einem Ausbildungsverhältnis stehen.“ Zudem ist es unerheblich, „ob es sich bei der Tätigkeit um eine regelmäßig oder nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit handelt.“ Entsprechend gehören beispielsweise auch ausschließlich geringfügig Beschäftigte, bezahlte Praktikanten, Freiwilligendienstleistende und Ein-Euro-Jobber zu den Erwerbstätigen gemäß Destatis.

Für die über 42 Millionen Erwerbstätigen im September 2013 bedeutet das: Etwa 37,5 der 42,1 Millionen (89,2 Prozent) zählen zu den Arbeitnehmern. Die übrigen etwa 4,5 Millionen beziehungsweise 10,8 Prozent sind Selbstständige oder mithelfende Familienangehörige (Berechnung auf Basis der noch unveröffentlichten Quartalswerte 3/2013 des Statistischen Bundesamtes). Und: 37,5 Millionen Arbeitnehmer sind nicht gleich 37,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Denn ihre Zahl lag gemäß Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) im August 2013 (aktuellste verfügbare Daten) bei 29,5 Millionen Menschen. Die Differenz von insgesamt acht Millionen Menschen verteilt sich neben den Beamten unter anderem auf ausschließlich geringfügig Beschäftigte – gemäß Zahlen der Bundesagentur für Arbeit 4,78 Millionen Menschen im August 2013 –, Ein-Euro-Jobber, bezahlte Praktikanten und Freiwilligendienstleistende.

Mehr Menschen arbeiten, aber die Pro-Kopf-Arbeitsstunden sinken

Das Wachstum bei den Erwerbstätigen beruht auch auf einem Zuwachs bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Im August 2013 stieg sie um 353.000 Personen oder 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Zuwachs wurde jedoch stärker von Teilzeit- als von Vollzeitbeschäftigten getragen. Die Teilzeitbeschäftigung nahm im August 2013 um 182.000 Personen beziehungsweise 2,5 Prozent zu und stieg damit stärker als die Vollzeitbeschäftigung (+171.000 oder 0,8 Prozent). Inzwischen ist jeder vierte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (25 Prozent beziehungsweise 7,52 Millionen Menschen) in Deutschland teilzeitbeschäftigt.

Damit einher geht auch eine sinkende Pro-Kopf-Arbeitszeit. 2011 arbeitete ein Erwerbstätiger durchschnittlich 1.406 Stunden pro Jahr. 2012 ist die Zahl auf 1.397 Stunden gesunken. Mit Ausnahme des Jahres 2009, in dem aufgrund der Wirtschaftskrise verstärkt Kurzarbeit eingesetzt wurde, sinken die Pro-Kopf-Arbeitsstunden damit seit Jahren kontinuierlich. So arbeiten zwar immer mehr Menschen, pro Kopf aber offenbar immer weniger – also häufiger in Jobs mit einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit, zum Beispiel in Teilzeit. Die vorhandene Arbeit scheint sich also lediglich auf mehr Köpfe zu verteilen. (O-Ton berichtete)

Zum Weiterlesen:

Statistisches Bundesamt, Arbeitsmarkt im September 2013: Erstmals mehr als 42 Millionen Erwerbstätige

Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland (Oktober 2013), S.9

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarkt in Zahlen. Beschäftigungsstatistik S.4

Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsproduktberechnung, Fachserie 18, Reihe 1.2, 4.

Arbeitsmarkt im Oktober: Mehr als 3,6 Millionen Menschen ohne Arbeit

(o-ton) Im Oktober ist die Zahl der Arbeitslosen leicht auf 2,8 Millionen gesunken. Das gesamte Ausmaß der Menschen ohne Arbeit bildet die Zahl der Arbeitslosen allerdings nicht ab. Denn Monat für Monat filtert die Bundesagentur für Arbeit tatsächlich Arbeitslose aus der Arbeitslosenzahl und führt sie in der Kategorie Unterbeschäftigung. Im Oktober über 840.000 Menschen nur deshalb, weil sie etwa an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnahmen, zum Zeitpunkt der Erfassung krankgeschrieben waren oder als über 58-Jährige innerhalb eines Jahres kein Jobangebot erhielten.

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Forscher ermitteln: Sinkende Löhne und zunehmende Lohnungleichheit seit „Hartz IV“

(o-ton) Die Hartz-Reformen haben den bereits vorhandenen Trend zu Niedriglöhnen und einer größeren Lohnungleichheit verstärkt. Das ergibt eine Studie von Wissenschaftlern des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Insgesamt habe sich die Qualität der Arbeitsverhältnisse in Deutschland verschlechtert.

Die “Hartz”-Reformen haben eine bereits bestehende Tendenz zu niedrigeren Löhnen und zunehmender Lohnungleichheit verstärkt. Das ermittelten Wissenschaftler des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Im Rahmen ihrer Studie “Doing Well in Reforming the Labour Market? Recent Trends in Job Stability and Wages in Germany“ untersuchten Giannelli, Jaenichen und Rothe die Auswirkungen der „Hartz“-Reformen auf die Qualität von Arbeitsverhältnissen. Dazu verglichen sie die Dauer von neu begonnenen Arbeitsverhältnissen und die Gehälter von verschiedenen Berufsgruppen in den Jahren 1998 bis 2010.

Während die Auswirkungen auf die Arbeitsplatzstabilität nur moderat seien, konnte ein deutlicher Rückgang der Reallöhne festgestellt werden. In niedrigeren Lohnsegmenten sei der Effekt stärker als bei Besser-Verdienenden, weshalb die Lohnungleichheit zugenommen habe. Von überdurchschnittlichen Lohnverlusten betroffen seien vor allem die ohnehin benachteiligten Gruppen der Leiharbeiter, Ungelernten und zuvor Arbeitslosen.

Das Sinken der Löhne habe bereits vor Einführung der Hartz-Gesetze begonnen, sei also nicht durch die Arbeitsmarktreformen ausgelöst, aber durch sie verstärkt worden, so die Forscher.

Die Studienergebnisse lieferten eine mögliche Erklärung, warum auch während der großen Rezession in den Jahren 2008/2009 die Zahl der Beschäftigten in Deutschland nur leicht abnahm und die Arbeitslosenzahlen vergleichsweise niedrig blieben, schlussfolgern Giannelli, Jaenichen und Rothe.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass aufgrund der Datenlage nur die Lohnhöhe von Vollzeitbeschäftigten ausgewertet werden konnte. Nicht berücksichtigt wurden unter anderem Teilzeitbeschäftigte und Mini-Jobber.

Zum Weiterlesen:

Gianelli, Jaenichen, Rothe (August 2013): Doing Well in Reforming the Labour Market? Recent Trends in Job Stability and Wages in Germany. IZA Discussion Paper No. 7580

Geringe Arbeitsmarktchancen für Ungelernte

(o-ton) 2012 war etwa jeder fünfte Ungelernte arbeitslos. Menschen ohne Berufsabschluss sind besonders häufig abhängig von „Hartz IV“-Leistungen. Sie stellen mehr als die Hälfte der arbeitslosen „Hartz IV“-Bezieher. Auch in Zukunft werden sich die Chancen Ungelernter am Arbeitsmarkt nicht verbessern. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hervor.

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Mismatch am Arbeitsmarkt: Mehr Erwerbstätige ist nicht gleich weniger Arbeitslose

(o-ton) Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten. Trotzdem steigt auch die Zahl der Arbeitslosen wieder. Sie profitieren kaum noch von der Nachfrage nach Arbeitskräften. Grund ist ein „Mismatch“ zwischen Arbeitslosen und den offenen Arbeitsstellen – ihre Fähigkeiten und die Anforderungen der Arbeitgeber passen häufig nicht zusammen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fordert daher eine stärkere Förderung von Langzeitarbeitslosen.

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