19. August 2013
(o-ton) Mit dem Heilbronner Modell fordern erstmals auch Arbeitgeber einen Sozialen Arbeitsmarkt. Langzeitarbeitslose sollen staatlich subventionierte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhalten. Im Auftrag von Industrie und Handwerk sollen sie einfache Arbeiten erledigen, die ansonsten ins Ausland verlagert würden. Aktuell liegt der Antrag für ein Modellprojekt beim Bundesarbeitsministerium (BMAS). In Heilbronn hofft man, dass die ungewöhnlich breite Unterstützung eine Zusage bringt.
Ungefähr einen Monat ist es her, da protestierten ehemalige „Ein-Euro-Jobber“ bei der Aufbaugilde, einem Heilbronner Beschäftigungsträger, gegen das Ende ihrer Maßnahme. Der Landkreis hatte die Förderung zum 1. Juli 2013 eingestellt (O-Ton berichtete). Für die Aufbaugilde nicht der erste Einschnitt, denn die Bundesregierung hat ihre Mittel für die Förderung von Langzeitarbeitslosen in den letzten Jahren massiv zusammengestrichen (O-Ton berichtete). Bundesweit spüren potentielle Maßnahmenteilnehmer und Träger die Folgen.
In Heilbronn versucht man nun, diese Kürzungen aufzufangen. Mit dem Heilbronner Modell, einem regionalen Modellprojekt des Sozialen Arbeitsmarktes, will man Langzeitarbeitslose auf sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen beschäftigen. Die Idee des Sozialen Arbeitsmarktes ist dabei nicht neu. Wohlfahrtsverbände und Oppositionsparteien fordern ihn bereits seit längerem (O-Ton berichtete). Das Besondere in Heilbronn: Mit der Industrie und Handelskammer, der Handwerkskammer, der Südwestmetall Bezirksgruppe und der IG Metall vor Ort unterstützen erstmals auch Arbeitgeber die Pläne – ein bundesweites Novum. Und auch die Arbeitgebervertreter von DGB und ver.di befürworten das Modell.
Lokaler Konsens von Wirtschaft und Gewerkschaften als Bedingung für die Auftragsvergabe
Eigentlich stößt die Idee des Sozialen Arbeitsmarkts besonders bei Arbeitgebern auf große Skepsis. Sie fürchten Wettbewerbsnachteile, wenn Beschäftigungsträger mit staatliche subventionierten Langzeitarbeitslosen marktwirtschaftlich agieren und dabei billiger arbeiten können, als sie selbst. Beim Heilbronner Modell hingegen soll es vornehmlich um einfache Tätigkeiten gehen, die ansonsten aus Kostengründen ins Ausland verlagert würden. Im so genannten Lokalen Konsens sollen zudem die Gewerkschaften mitentscheiden, welchen Aufträge an die Beschäftigungsträger gehen. So plant man zu verhindern, dass subventionierte Langzeitarbeitslose für Arbeiten eingesetzt werden, die eigentlich an reguläre Arbeitnehmer gingen.
Zielgruppe: Langzeitarbeitslose mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“
„Es gibt Menschen, die aufgrund zumeist multipler Vermittlungshemmnisse nicht regulär auf dem ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werden können. Ohne öffentlich geförderte Beschäftigung wird es nicht möglich sein, diese ins (Arbeits-)Leben zu integrieren“, erklärt Elke Schweig, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Heilbronn-Franken ihre Unterstützung.
Mindestens zwei dieser „multiplen Vermittlungshemmnisse“ müssten potentielle Teilnehmer am Heilbronner Modell haben. Hierzu gehören beispielsweise gesundheitliche Probleme, die die Leistungsfähigkeit des Menschen deutlich einschränken, Suchterfahrung oder eine fehlende oder geringe Berufsbildung. Als weitere Auswahlkriterien festgelegt wurden ein Alter von über 25 Jahren und eine in den letzten zwei Jahren mindestens 21 Monate andauernde Arbeitslosigkeit. Hiernach sollen das Heilbronner Jobcenter und die Aufbaugilde die Teilnehmer gemeinsam auswählen. In der Folge würden sie zunächst eine Aktivierungsphase durchlaufen, währenddessen intensiv versucht würde, sie in ungeförderte Arbeit zu vermitteln. Gelinge dies aber nicht, sollen die Teilnehmer in den Sozialen Arbeitsmarkt übergehen.
Dort ist ein Stundenlohn von 8,50 Euro eingeplant. Ein Beschäftigungszuschuss von insgesamt 1.350 Euro pro Person wäre für die Förderung nötig. 900 Euro davon wären allerdings eingesparte passive Leistungen der Arbeitsmarktpolitik („Hartz IV“-Leistungen), 450 Euro Rückflüsse aus Steuern und Abgaben. Die Betreuung der Teilnehmer soll bei Bedarf aus Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen des Jobcenters zufinanziert werden. Weitere Kosten würde der Beschäftigungsträger mit seinen Markterlösen abdecken.
Heilbronner Modell soll bundesweit Schule machen
Auch ein CDU-Politiker zählt zu den Unterstützern des Modells. Während sich die Partei auf Bundesebene bisher klar gegen einen Sozialen Arbeitsmarkt ausspricht, äußerte sich Thomas Strobl, MdB und Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg positiv. Das Heilbronner Modellprojekt sei „eine Konzeptidee zur Verbesserung der Vermittlungschancen in den ersten Arbeitsmarkt“, für deren Förderung er beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) werbe. Aktuell liegt der Antrag auf Förderung im Rahmen eines Modellprojektes beim BMAS. Die Realisierung ist unklar. In Heilbronn hofft man, dass das Heilbronner Modell durch die ungewöhnlich breite Unterstützung bald umgesetzt werden und vielleicht bundesweit Schule machen kann.
Zum Weiterlesen: