19. Juni 2017
100.000 Flüchtlinge jährlich wollte Arbeitsministerin Nahles mit „80-Cent-Jobs“ fördern. Doch bis März 2017 wurden nur knapp 21.000 Teilnehmerplätze genehmigt. In Hamburg und im Saarland wird die Maßnahme noch immer überhaupt nicht genutzt. Aussagen über den tatschlichen Besetzungsstand sind laut Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht möglich. Allerdings zeigt sich: Plätze für das Programm werden öfter als vorgegeben in den Gemeinschafsunterkünften geplant.
Knapp 21.000 Teilnehmerplätze in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) wurden bis März 2017 deutschlandweit geschaffen. Ursprünglich wollte Arbeitsministerin Andrea Nahles 100.000 Personen auf dieser Weise für maximal sechs Monate „erste Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt“ ermöglichen. Die inzwischen als 80-Cent-Jobs bekannten Maßnahmen entsprechen weitgehend den Ein-Euro-Jobs, nur mit geringerer Aufwandsentschädigung. Bislang haben Länder und Kommunen über 24.500 Plätze beantragt. Dabei gibt es immense regionale Unterschiede: Während in Nordrhein-Westfahlen knapp 6.200 Plätze beantragt wurden, gibt es in den Ländern Hamburg und Saarland gar kein Interesse an den FIM. Dies geht aus einer Auswertung des Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor.
BA: Keine Informationen zum Besetzungsstand möglich
Deutschlandweit wurden bis Ende März 2017 rund 21.000 der über 24.600, also 85 Prozent, der beantragten Plätze genehmigt. 20.900 Plätze existierten zu diesem Zeitpunkt in FIM, die begonnen hatten. Allerdings gib es laut Auskunft der BA keine Informationen darüber, wie viele dieser 20.900 Plätze tatsächlich besetzt sind. Auf Nachfrage des BIAJ konstatierte die BA am 12.06.2017: „Aussagen zu den Besetzungsständen sind nicht möglich und waren auch zu keinem Zeitpunkt zugesagt, da die Besetzung der FIM nicht in der Zuständigkeit der BA liegt und es sich bei den Teilnehmenden an FIM in der Regel um keine Personen handelt, die bei der BA als Kundinnen bzw. Kunden gemeldet sind. Zudem werden keine Daten von FIM-Teilnehmenden in den IT-Systemen der BA erfasst. Die Verwaltungsvereinbarung sieht in Artikel 3 Abs. 3 auch keine Lieferung von Besetzungsständen vor.“
Auch wenn mittlerweile die beantragten Plätze überwiegend genehmigt worden sind, geht deren Besetzung nur schleppend voran. Auch ohne offizielle Teilnehmerzahlen gibt die Ausgabenplanung der Länder Aufschluss über den Fortschritt der Förderung. Bundesweit wurde erst rund ein Drittel der veranschlagten 200 Millionen Euro, nämlich 66,3 Millionen Euro, gezahlt oder vorgemerkt. Über die Hälfte des geplanten Budgets abrufen oder planen konnte bislang einzig das Land Brandenburg. Im Gegensatz stoßen die FIM in Hamburg und im Saarland auf Desinteresse: Bis März 2017 wurden hier noch überhaupt keine Gelder aus dem FIM-Budget geplant.
Ungleichgewicht: Zu oft Einsatz in den Unterkünften
Immer noch werden die Flüchtlinge zu oft innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte eingesetzt (O-Ton berichtete). Geplant war eine Verteilung der FIM zu 75 Prozent auf externe und zu 25 Prozent auf interne Maßnahmen. Tatsächlich waren im März bundesweit nur rund 71,4 Prozent der Plätze als externe Stellen bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern geplant. Die Obergrenze für interne Maßnahmeplätze wurde im Bundesdurchschnitt zwar nur geringfügig überschritten, in zwei Ländern jedoch deutlich. In Baden-Württemberg wurden 49,8 Prozent der Plätze als interne FIM geplant, in Bayern sogar mehr als die Hälfte (54,5 Prozent).
Wenig Interesse an den „Warte-Jobs“
Die Zielgruppe der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit einer maximalen Dauer von sechs Monaten sind Volljährige mit guter Bleibeperspektive, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist. Die FIM sind also „Warte-Ein-Euro-Jobs“ für die Zeit zwischen Antrag und endgültigem Bescheid und damit für einen Zeitraum, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) immer mehr verkürzen soll und will.
Und genau das könnte einer der Gründe für das zurückhaltende Interesse sein. Unter den Ländern, die bisher keine oder nur wenige FIM besetzt beziehungsweise beantragt haben, sind auch die Länder mit den kürzesten Bearbeitungsdauern wie das Saarland und Sachsen-Anhalt. Hier könnte es sich schlicht nicht lohnen, einem Flüchtling mit guter Bleibeperspektive eine FIM anzubieten. Anerkannten Flüchtlingen stehen im Übrigen alle regulären arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen offen, darunter auch die herkömmlichen Ein-Euro-Jobs.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
O-Ton Arbeitsmarkt, „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge werden kaum genutzt, 23.12.2016.