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Arbeitslosigkeit und Gesundheit: Immer mehr Hartz-IV-Bezieher sind arbeitsunfähig

Arbeitslosigkeit macht krank, so das Ergebnis vieler Studien. Statistisch gesehen führt Krankheit allerdings zu einem Ende der Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2018 wurden jeden Monat knapp 307.000 Erwerbsfähige im Hartz-IV-System aufgrund von Arbeitsunfähigkeit aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen, fast doppelt so viele wie noch 2007.

Im Jahresdurchschnitt 2018 bezogen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) monatlich rund 4,14 Millionen erwerbsfähige Personen Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende (“Hartz IV“) nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nur rund ein Drittel von ihnen ist offiziell arbeitslos. Der überwiegende Teil der Erwerbsfähigen im Hartz-IV-System fällt wegen Sonderregelungen aus der Arbeitslosenstatistik. Gründe hierfür sind zum Beispiel der Besuch von Bildungseinrichtungen, die Teilnahme an Maßnahmen, die Sorgearbeit für Angehörige und Kinder, aber auch Arbeitsunfähigkeit.

Die BA-Statistik zeigt hier eine auffällige Entwicklung: Seit 2007 ist die Zahl der Arbeitsunfähigen, also offiziell krankgeschriebene Personen, von durchschnittlich 165.000 im Monat auf knapp 307.000 pro Monat im Jahr 2018 angestiegen und hat sich damit beinahe verdoppelt. Im Jahr 2018 waren also über sieben Prozent – rund jeder Dreizehnte – der Erwerbsfähigen im Hartz-IV-Bezug arbeitsunfähig und alleine deshalb nicht offiziell arbeitslos.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung O-Ton Arbeitsmarkt.

Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Dauer von sechs Wochen zählt in der BA-Statistik als „Unterbeschäftigung im engeren Sinne“. Kurzfristig Arbeitsunfähige sind daher statistisch gesehen nicht arbeitslos, sondern nur arbeitsuchend. Dauert die Krankheit länger als sechs Wochen an, sind die Leistungsberechtigten im Hartz-IV-System auch nicht mehr arbeitsuchend im Sinne der Statistik, obwohl sie in der Zwischenzeit keine Arbeit aufgenommen haben. Bei langanhaltender Krankheit ist das zuständige Jobcenter zwar dazu angehalten, die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen zu überprüfen. Es gibt jedoch in der BA-Statistik keine Angaben darüber, wie viele Empfänger von Hartz-IV-Leistungen aus gesundheitlichen Gründen in die Erwerbsunfähigkeit übertreten.

Krankheit macht arbeitslos, Arbeitslosigkeit macht krank

Die Zahl der arbeitsunfähigen Hartz-IV-Bezieher hat seit 2007 sowohl absolut, als auch prozentual gemessen an der Gesamtheit aller Erwerbsfähigen im Hartz-IV-Bezug zugenommen. Es ist wahrscheinlich, dass hierbei Langzeitarbeitslosigkeit, verbunden mit dem Langzeitbezug von Hartz IV, eine Rolle spielt. Aus Sicht der Wissenschaft gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Beschäftigungslosigkeit und Gesundheit bzw. Krankheit. So erhöhen nicht nur vorhandene physische und psychische Einschränkungen das Risiko, arbeitslos zu werden.

Mehrere Studien deuten auch darauf hin, dass sich Arbeitslosigkeit negativ auf die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirkt. Hierauf weist beispielsweise der Fehlzeiten-Report 2018 der Krankenkasse AOK hin. So zeigten Untersuchungen, dass sich das Sinnempfinden von Arbeitslosen während der Beschäftigungslosigkeit verschlechtert. Haben sie aufgrund der Arbeitslosigkeit keinen Zugang zu sinnstiftender und produktiver Arbeit, demotiviere dies die Betroffenen und fördere beispielsweise das Entstehen von Depressionen. Somit werde auch die weitere Arbeitssuche erschwert.

Zusätzlich wirken sich die materiellen Einschnitte, die aus dem Jobverlust und langfristiger Arbeitslosigkeit resultieren, negativ auf den Gesundheitszustand von Arbeitslosen aus. Der Fehlzeitenreport zitiert auch Forschungsergebnisse, nach denen andere sinnstiftende Tätigkeiten, wie zum Beispiel Freiwilligenarbeit, Abhilfe schaffen und die psychische Gesundheit von Arbeitslosen verbessern können, wenn eine Arbeitsaufnahme unmittelbar nicht zu erreichen ist.

von Lena Becher



Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Strukturen der Grundsicherung SGB II – Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Zeitreihe Monats- und Jahreszahlen ab 2005), Mai 2019, Tabelle 2.

Paul, Karsten/Zechmann, Andrea (2018), Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Sinnerleben und die psychische Gesundheit, in: Badura, Bernhard/Ducki, Antje/Schröder, Helmut/Klose, Joachim/Meyer, Markus (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2018: Schwerpunkt: Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit. Springer-Verlag: Berlin, Heidelberg.