29. September 2014
(o-ton) Das Arbeitsministerium will Langzeitarbeitslose mit einem neuen ESF-Bundesprogramm in Betrieben unterbringen, die hierfür Lohnkostenzuschüsse erhalten. Betriebsakquisiteure sollen geeignete Arbeitgeber finden und Coaches die Teilnehmer sozialpädagogisch betreuen. Die Arbeitsmarktfernsten könnten aber kaum profitieren. Das geht aus einem Entwurf der Förderbedingungen hervor.
Das Arbeitsministerium (BMAS) will sich mit einem neuen ESF-Bundesprogramm ab 2015 stärker um Langzeitarbeitslose kümmern. Nach ersten Ankündigungen Anfang des Jahres (O-Ton berichtete) liegt nun ein Entwurf der Förderbedingungen vor. Hier die Details:
Über 35-jährige Hartz IV-Empfänger (so genannte erwerbsfähige Leistungsberechtigte), die mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechung arbeitslos sind (kurze Arbeitsverhältnisse von bis zu drei Monaten werden nicht berücksichtigt), keinen oder keinen verwertbaren Berufsabschluss haben und bei denen keine andere Förderung erfolgversprechend ist, sollen mit Lohnkostenzuschüssen in privatwirtschaftlichen Betrieben untergebracht werden. In Ausnahmefällen können auch unter 35-Jährige teilnehmen, wenn keine Berufsausbildung oder berufliche Weiterbildung möglich ist. Die Teilnahme am Programm ist freiwillig.
Betriebsakquisiteure in den Jobcentern sollen für die Zielgruppe passende Arbeitgeber finden. Bedingung für die Lohnkostenzuschüsse ist ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz für wenigstens zwei Jahre bei mindestens 20 Wochenarbeitsstunden und tariflicher beziehungsweise ortsüblicher Bezahlung. Die Zuschüsse werden gestaffelt. In den ersten sechs Monaten erhält der Arbeitgeber 75 Prozent, in den folgenden neun Monaten 50 Prozent und danach für drei Monate 25 Prozent des Gesamtlohns. Im letzten halben Jahr gibt es keine Zuschüsse. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, den Teilnehmer in dieser Zeit zu vollem Gehalt weiter zu beschäftigen.
Während der Teilnahme werden die Langzeitarbeitslosen von Coaches, die bei den Jobcentern beschäftigt oder extern beauftragt werden, sozialpädagogisch betreut und nehmen bei Bedarf an Qualifikationsmaßnahmen teil. In den ersten sechs Monaten sind drei Stunden Coaching pro Woche, in den folgenden sechs Monaten noch eine Stunde und danach eine Stunde in Ausnahmefällen vorgesehen. Die Qualifizierungsmaßnahmen reichen von „einfacher arbeitsplatzbezogener beruflicher Qualifizierung“ bei arbeitsmarktpolitischen Trägern bis zur Verbesserung von zentralen Grundkompetenzen wie Lesen und Schreiben. Über die Qualifizierung entscheidet das Jobcenter auf Vorschlag der Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Coaches und Betriebsakquisiteure.
Intensivförderung für die schwierigen Fälle
Langzeitarbeitslose, die bereits seit fünf Jahren arbeitslos sind und neben der fehlenden Berufsausbildung mindestens ein weiteres „Vermittlungshemmnis“ haben, erhalten eine Intensivförderung. Zu den Vermittlungshemmnissen zählen gesundheitliche Probleme, Behinderung, ein fehlender Schulabschluss, kaum Deutschkenntnisse oder ein Alter über 50 Jahre. Diese Personen sollen vorrangig gefördert werden, aber höchstens zehn Prozent aller Teilnehmer ausmachen. Jobcenter, die sich mit einem hohen Anteil an Intensivförderfällen bewerben, werden zudem bevorzugt.
Für die intensiv geförderten Langzeitarbeitslosen gibt es höhere Lohnkostenzuschüsse und eine verstärkte Betreuung. Bei Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages kann der Arbeitsplatz zudem bis zu drei Jahre bezuschusst werden, ansonsten sind 24 Monate Maximalförderung möglich. Die Arbeitgeber erhalten im ersten Jahr 75 Prozent Lohnkostenzuzahlung, im zweiten Jahr sind es 65 Prozent und im letzten Jahr noch 50 Prozent. Coachings finden im ersten Jahr bis zu fünf Mal pro Woche statt, im zweiten drei- und im dritten Jahr einmal.
Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose: Kein neuer Ansatz
Neu ist die Idee, Langzeitarbeitslose mittels Lohnkostenzuschüssen in der Privatwirtschaft unterzubringen, nicht. Mit dem Beschäftigungszuschuss (BEZ) bzw. dem Nachfolgeinstrument der Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) gibt es seit Jahren die Möglichkeit, Löhne für schwer vermittelbare Arbeitslose staatlich zu subventionieren. Hinzu kommt: Bei der FAV ist ein Zuschuss von 75 Prozent für die gesamte bis zu 24-monatige Förderdauer möglich. Beim neuen Bundesprogramm hingegen erhalten die Arbeitgeber umgerechnet auf die gesamte Förderdauer etwas mehr als 40 Prozent Zuschüsse für die regulär geförderten und 63 Prozent für die intensiv geförderten Teilnehmer (bei einer dreijährigen Förderung).
Zu vermuten ist daher, dass sich die Akquise geeigneter Arbeitgeber schwierig gestaltet und die Jobcenter Zugeständnisse gegenüber den Arbeitgebern machen, indem sie die tendenziell leistungsfähigeren Langzeitarbeitslosen auswählen. So geschehen beim Landesprogramm Sozialer Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg, das einen ähnlichen Ansatz verfolgt (O-Ton berichtete).
Die arbeitsmarktferneren Langzeitarbeitslosen mit mehr als zwei Vermittlungshemmnissen würden dann kaum vom neuen Bundesprogramm profitieren. Das Ministerium scheint sich dessen bereits bewusst zu sein, indem es deren Mindestanteil an allen Geförderten mit zehn Prozent doch sehr niedrig ansetzt. Den eigentlichen Verhältnissen bei den langzeitarbeitslosen Hartz IV-Empfängern entspricht diese Aufteilung jedenfalls nicht. Wie eine Studie des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) zeigt, haben tatsächlich etwa 80 Prozent der Hartz IV-Empfänger im Dauerbezug zwei oder mehr Vermittlungshemmnisse (O-Ton berichtete) und gehören damit zu den Kandidaten für eine Intensivförderung.
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