20. Februar 2019
Über eine Million Erwerbstätige bezogen im Oktober 2018 aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Vorschläge wie die vom Münchener Institut für Wirtschaftsforschung oder des CDU-Abgeordneten Kai Whittaker zielen auf eine Änderung der Zuverdienstregeln ab: Kleine Erwerbseinkommen sollen vollständig auf den Hartz-IV-Satz angerechnet werden. Hunderttausende wären hiervon betroffen.
In Deutschland gab es im Oktober 2018 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 4,03 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher. Etwa ein Viertel von ihnen ging einer Erwerbstätigkeit nach. Einkommen bis zu 100 Euro ist für Bezieher von Hartz-IV-Leistungen anrechnungsfrei. Darüber liegende Beträge werden gestaffelt prozentual angerechnet und mindern somit den Hartz-IV-Anspruch.
Verschiedene Politiker und Forscher fordern eine Reform der Zuverdienstregeln, da diese besonders geringe Erwerbseinkommen begünstigen würden. Die Ausweitung der Beschäftigung ist in dieser Lesart für Hartz-IV-Bezieher deshalb verhältnismäßig unattraktiv. In den vergangenen Tagen wurden zu diesem Thema Reformvorschläge von Forschern des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) sowie vom CDU-Abgeordneten Kai Whittaker öffentlich. Whittaker schlägt vor, Einkommen bis zu einer Höhe von 200 Euro vollständig auf den Hartz-IV-Satz anzurechnen. Im Ifo-Vorschlag liegt dieser Schwellenwert hingegen bei 630 Euro.
Hunderttausende „Aufstocker“ wären betroffen
Nach einer Sonderauswertung der BA-Statistik, die O-Ton vorliegt, würden sich diese Reformen unmittelbar auf hunderttausende erwerbstätige Bezieher von Hartz IV auswirken. Im Oktober 2018 erzielten über 230.000 Hartz-IV-Bezieher ein Erwerbseinkommen bis zu 200 Euro. Knapp 560.000 Personen im Hartz-IV-Bezug hatten ein Erwerbseinkommen bis zu 630 Euro. Bei einer Durchsetzung der Reformvorschläge würde sich das gesamte verfügbare Haushaltseinkommen für all diese Personen erheblich reduzieren und wahrscheinlich einen empfindlichen finanziellen Einschnitt bedeuten, vor allem dann, wenn die Betroffenen nicht ohne weiteres ihr Einkommen erhöhen können. Dazu muss angemerkt werden: Im Oktober 2018 lagen zum Beispiel immer noch knapp 460.000 Aufstocker mit ihrem Einkommen über der Ifo-Schwelle von 630 Euro. Die Annahme, dass im gegenwärtigen System eine Ausweitung des Einkommens so unattraktiv ist, dass es sich negativ auf die Arbeitsbereitschaft von erwerbsfähigen Hartz-IV-Beziehern auswirkt, kann insofern angezweifelt werden.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
Blömer, Maximilian, Fuest, Clemens, Peichl, Andreas (2019), Raus aus der Niedrigeinkommensfalle(!) Der ifo-Vorschlag zur Reform des Grundsicherungssystems, in: ifo Schnelldienst 4/2019.