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Bundesfreiwilligendienst: Immer mehr „Hartz IV“-Empfänger unter den Bufdis?!

(o-ton) Fast die Hälfte der Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst ist 27 Jahre oder älter. Unter ihnen finden sich laut einer Evaluation der Hertie School of Governance Berlin und der Universität Heidelberg viele „Hartz IV“-Empfänger. Für sie scheint der Freiwilligendienst immer mehr zum attraktiven Arbeitsmarktinstrument zu werden, denn der Anteil der älteren Bufdis steigt seit Einführung kontinuierlich.

Vor etwas mehr als zwei Jahren ersetzte der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst. Bundesweit rund 36.700 Teilnehmer gibt es inzwischen, darunter auch Frauen und über 27-Jährige, die vom Zivildienst ausgeschlossen waren. Bei einem inzwischen recht ausgeglichenen Geschlechterverhältnis (52 Prozent Frauen) ist gerade die Zahl der älteren Teilnehmer in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

Im Herbst 2011, kurz nach Einführung des Dienstes, waren erst 13 Prozent der BFDler 27 Jahre oder älter. Im Juni 2012 war der Anteil bereits auf 37 Prozent angewachsen (O-Ton berichtete). Seither ist er noch einmal gestiegen. Nach Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) sind aktuell (August 2013) 42 Prozent der BFDler 27 Jahre oder älter, 22 Prozent sogar über 50 Jahre.

Ältere Bufdis vor allem in den neuen Bundesländern

Besonders in den neuen Bundesländern gibt es auffällig viele ältere Bundesfreiwillige. In Thüringen und Sachsen-Anhalt sind 87 beziehungsweise 88 Prozent aller Bundesfreiwilligen über 27 Jahre alt. Mit 48 und 49 Prozent ist dort auch fast die Hälfte der gesamten Teilnehmer älter als 50 Jahre.

Quelle: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (August 2013), Bundesfreiwillige im Dienst (nach Alter und Geschlecht).

BFD bei über 27-Jährigen: Besonders für „Hartz IV“-Empfänger attraktiv

Gerade unter den älteren Bufdis finden sich viele „Hartz IV“-Empfänger. Das ergab eine Evaluation der Hertie School of Governance und des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg (CSI) im Juni 2012. Auf Basis ihrer Befragung von über 100 BFDlern und Recherchen in Internetforen gelangten die Wissenschaftler zu dem Ergebnis: „Vor allem für Arbeitssuchende scheint der Dienst als Alternative zum Arbeitsmarkt, der ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht zugänglich ist, attraktiv zu sein“. Das ist besonders in den neuen Bundesländern mit höheren Arbeitslosen- und „Hartz IV“-Empfängerzahlen der Fall.

Die meisten anderen Personen der Altersgruppe, Rentner ausgenommen, könnten sich den Freiwilligendienst mit mindestens 20 Wochenstunden und einem Taschengeld von maximal 336 Euro weder finanziell noch zeitlich leisten, heißt es in der Studie. Für „Hartz IV“-Empfänger hingegen bedeute das Taschengeld einen Verdienst von monatlich bis zu 175 Euro zusätzlich zu ihren Bezügen. Hinzu kommt: Während des Dienstes müssen sie keine Vermittlungsvorschläge annehmen oder an Maßnahmen der Jobcenter teilnehmen. Zudem ist der BFD sozialversicherungspflichtig. „Hartz IV“-Empfänger können so nach einem Jahr Freiwilligendienst wieder Arbeitslosengeld I beziehen.

Und so verwundert es nicht, dass es gerade die älteren BFDler sind, die die maximale Dienstdauer nutzen und ihren Freiwilligendienst verlängern. Aus der Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linken geht hervor, dass von 9.510 Freiwilligen, die im Juni 2013 einen auf 18 Monate verlängerten Dienst leisteten, 91 Prozent älter als 27 Jahre waren. Für die jüngeren Teilnehmer scheint der Dienst damit in der Regel eine kürzere Orientierungs- und Überbrückungsphase zwischen Schule und Ausbildung zu sein. Für die älteren, vermutlich zu großen Teilen „Hartz IV“-beziehenden Teilnehmer hingegen fungiert er offenbar als eine selbst gewählte Alternative zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und dem regulären Arbeitsmarkt, auf dem sie nicht unterkommen.

Bundesfreiwilligendienst ersetzt Ein-Euro-Jobs?

Die Hertie School und das CSI bewerten den Bundesfreiwilligendienst daher durchaus als Arbeitsmarktinstrument. Auch, weil die Ein-Euro-Jobs „fast zeitgleich zur Einführung des BFD regional gekürzt wurden“ und einige der Betroffenen sich daraufhin für den Freiwilligendienst entschieden hätten.

Die Bundesregierung verneint allerdings die bewusste Beratung von „Hartz IV“-Empfängern in den Dienst, bewertet deren steigendes Interesse aber dennoch positiv. So positiv, dass sie den BFD für „Hartz IV“-Empfänger bereits kurz nach seiner Einführung attraktiver gestaltete, indem sie den Freibetrag von 60 auf die aktuellen 175 Euro anhob. Wie groß der Anteil der „Hartz IV“-Empfänger unter den Bufdis tatsächlich ist, dazu schweigt die Regierung bisher. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken kündigte sie die Zahlen für Ende 2012 an. Bisher liegen sie laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben allerdings noch nicht vor.

Zum Weiterlesen:

O-Ton-Arbeitsmarkt, Der Bundesfreiwilligendienst als Alternative zum Ein-Euro-Job? (Artikel nicht mehr online verfügbar)

Studie der Hertie School of Governance und der Universität Heidelberg

Aktuelle Statistik zum BFD des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

Antwort auf die kleine Anfrage der Linken (Drucksache 17/9548)

Antwort auf die kleine Anfrage der Linken (Drucksache 17/14066)