24. August 2017
In ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl am 24. September positionieren sich die Parteien zur Arbeitsmarktpolitik. Eine wesentliche Rolle spielt bei allen Parteien die Regulierung bzw. Deregulierung von Arbeitsverhältnissen. Hier werden die Versprechen der Parteien, die voraussichtlich in den Bundestag einziehen, unter die Lupe genommen.
Atypische Arbeitsverhältnisse und Lohnuntergrenzen werden von den Parteien sehr unterschiedlich bewertet. Die Positionen reichen von einer möglichst starken Eindämmung atypischer Arbeitsverhältnisse und Stärkung der Arbeitnehmerrechte (Linke, Grüne) zu einer möglichst weitgehenden Flexibilisierung des Arbeitsmarkts (FDP). Die Wahlprogramme der Regierungsparteien CDU und SPD enthalten die wenigsten Reformvorschläge, während sich das Programm der AfD hauptsächlich zum Thema Leiharbeit äußert.
Der Ist-Zustand
Über 7,65 Millionen Menschen in Deutschland waren nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2016 atypisch beschäftigt. Hierzu zählen Arbeitsstellen in der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit), befristete Stellen, Teilzeitstellen und geringfügige Beschäftigungen (Minijobs). Ihr Anteil an allen Beschäftigten lag damit, wie auch in 2015, bei 21 Prozent. Von ihnen arbeiteten knapp 4,81 Millionen in Teilzeit (20 Stunden pro Woche oder weniger), 2,17 Millionen in einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) und rund 737.000 Personen waren in Leiharbeit angestellt. Seit 2015 gibt es in Deutschland eine Lohnuntergrenze, den Mindestlohn, der mittlerweile bei 8,84 Euro pro Stunde liegt. Geringe Löhne und kurze Beschäftigungszeiten wirken sich für die Arbeitnehmer direkt auf die zu erwartenden Leistungen in der Arbeitslosen- und Sozialversicherung aus.
Das sagen die Parteien
Mindestlohn
Für den Mindestlohn sprechen sich bis auf die FDP alle Parteien aus. Die Linke fordert eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Dahingegen möchte die CDU/CSU nach der Bundestagswahl „unnötige Bürokratie“ zur Einhaltung des Mindestlohngesetzes abschaffen. Die FDP lehnt einen gesetzlichen Mindestlohn vollständig ab.
Befristungen
Nur SPD, Linke und Grüne plädieren für eine weitere Eindämmung von befristeten Arbeitsverträgen. Alle drei Parteien wollen sachgrundlose Befristungen verbieten. Die Linke will zudem eine Obergrenze von Befristungen durchsetzen. Eine Stelle soll maximal auf ein Jahr befristet sein. Der zweite Arbeitsvertrag beim gleichen Arbeitgeber muss außerdem automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sein. Die FDP lehnt jegliche gesetzlichen Einschränkungen von Befristungen strikt ab.
Wochenarbeitszeit, Teilzeit und Minijobs
CDU/CSU und FDP wollen das Arbeitszeitrecht flexibilisieren. Die FDP ist nicht nur für eine Aufhebung von Höchstgrenzen der täglichen Arbeitszeit und einer Aufhebung der elfstündigen Ruhezeit, sondern will auch die Obergrenze der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Std. anheben. Die CDU/CSU will die Flexibilisierung ohne eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit erreichen. Die Linke spricht sich hingegen für eine Obergrenze von 40 Stunden aus.
Das Rückkehrrecht in Vollzeit wird von SPD, Grünen und der Linke gefordert. Die Linke will außerdem einen Rechtsanspruch auf eine Mindestarbeitszeit von 18 Stunden pro Woche durchsetzen. Die CDU/CSU plant stattdessen einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit, allerdings nur in Betrieben „ab einer bestimmten Größe“. Die FDP möchte durchsetzen, dass Eltern ihr Arbeitsmodell z.B. Teilzeit oder Telearbeit frei wählen können.
Geringfügig Beschäftigte will die Linke verpflichtend in die Sozialversicherung einbeziehen. Im Gegensatz dazu will die CDU/CSU einen „mitwachsenden“ Minijob einführen. Die Verdienstgrenze von 450 Euro soll demnach an die allgemeine Lohnsteigerung angepasst werden. Die AfD hat sich in ihrem Wahlprogramm nicht zu Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung positioniert.
Leiharbeit
Die FDP ist gegen eine gesetzliche Einschränkung von Leiharbeitsverträgen. Linke und Grüne fordern, dass Leiharbeitnehmern mindestens der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit wie der Stammbelegschaft gezahlt werden muss. Beide Parteien wollen eine Flexibilitätszulage für Leiharbeitnehmer gesetzlich verankern. Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm sogar eine Zulage in Höhe von 10 Prozent des Lohns.
Die AfD ist für eine Obergrenze von 15 Prozent Leiharbeitnehmern in einem Unternehmen. Nach sechsmonatiger Beschäftigungszeit sollen Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft gleichgestellt sein. Außerdem will die AfD durchsetzen, dass Leiharbeitsverträge nur einmal verlängert werden dürfen. Die Wahlprogramme von CDU/CSU und SPD enthalten keine Reformvorschläge zu Leiharbeitsverhältnissen.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen:
Bündnis 90/Die Grünen, Zukunft wird aus Mut gemacht, Bundestagswahlprogramm 2017.
Statistisches Bundesamt, Atypische Beschäftigung, 1991-2016.
Krüsemann, Markus, Keine Wende bei der atypischen Beschäftigung, in: Miese Jobs, 16.08.2017.