zurück

Evangelische Beschäftigungsbetriebe kritisieren soziale Spaltung an der Wahlurne

amnews-2-300x190

Auch bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 blieb die Wahlbeteiligung bei Langzeitarbeitslosen deutlich unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Vertreter aus Wissenschaft, Verbänden und Betroffene diskutierten bei der Veranstaltung „Deutschland hat gewählt. Die Armen nicht.“ die Gründe für die Wahlabstinenz von Langzeitarbeitslosen und forderten mehr politische Teilhabe für die Betroffenen.

Im Hospitalhof Stuttgart diskutierten am 6. November 2017 Vertreter aus Wissenschaft, der Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande im Sozialunternehmen Neue Arbeit in Kooperation mit dem Evangelischen Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) die Ergebnisse der Bundestagswahl 2017. Bei der Veranstaltung mit dem Titel „Deutschland hat gewählt. Die Armen nicht.“ lag der Fokus auf der sozialen Spaltung bei der Wahlbeteiligung.

Dr. Niklas Im Winkel von der Bertelsmann Stiftung eröffnete die Veranstaltung mit einer Aufarbeitung der Wahlergebnisse. Seine Analyse zeigte, dass die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl deutlich auf eine soziale Spaltung hinweisen würden. So lebten in Stimmbezirken mit niedriger Wahlbeteiligung rund dreimal so viele Arbeitslose und 70 Prozent mehr Menschen ohne Schulabschluss als in den Stimmbezirken mit der höchsten Wahlbeteiligung.

Langzeitarbeitslose ohne soziale und politische Teilhabe

Prof. Franz Schultheis (Universität St. Gallen) diskutierte daran anknüpfend, warum es einen starken Zusammenhang zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Wahlabstinenz gebe. Vergangene Studien wiesen darauf hin, dass Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene stigmatisiere und sie an den Rand der Gesellschaft dränge (O-Ton berichtete). Langzeitarbeitslose würden so in einen Teufelskreis aus fehlender gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstausgrenzung geraten.

Schultheis appellierte daher an die Politik: „Es müsste zu einer massiven sozialen Umverteilung kommen. Das Rad der Agenda 2010 müsste zurückgedreht werden. Mit guten Worten kommt man keinen einzigen Schritt weiter. Man muss die Dinge bei den Wurzeln packen. Die sozioökologischen Lebensbedingungen und die Verbesserung der materiellen Lage selbst, ist der zentrale Punkt.“

Bewusstsein für Anliegen von Langzeitarbeitslosen schaffen

In der abschließen Podiumsdiskussion traten Prof. Dr. Franz Schultheis, Dr. Niklas Im Winkel, Karl-Ulrich Templ (stellvertretender Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg) und Gabriele Ehrman (Pfarrerin Evangelisches Diakoniepfarramt Stuttgart) in den Dialog mit Betroffenen. Sie plädierten für eine stärkere Einbeziehung der Interessen Langzeitarbeitsloser. Sebastian Deuschle, der im Rahmen der Studie „Gib mir was, was ich wählen kann“ als langzeitarbeitsloser Nichtwähler interviewt worden war, forderte Politiker dazu auf, auch für die Anliegen von marginalisierten Gruppen einzutreten.

Deuschle kritisierte, dass Parteien im Wettbewerb um Stimmenanteile Nichtwähler übersehen würden. Dabei waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass die Wahlabstinenz von Langzeitarbeitslosen nicht als politisches Desinteresse gesehen werden sollte. Vielmehr sei nun wichtig, dass die Politik für die Interessen von Langzeitarbeitslosen sensibilisiert werde und auch diesen Menschen ein Angebot mache.

von Lena Becher

 

 

Zum Weiterlesen:

Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande, „Gib mir was, was ich wählen kann“ – Demokratie ohne Langzeitarbeitslose?, Hintergrundinformationen, August 2018. 

O-Ton Arbeitsmarkt, Demokratie ohne Langzeitarbeitslose? Studie untersucht Motive langzeitarbeitsloser Nichtwähler, 14.08.2017.