21. Juni 2016
Die Pläne der Großen Koalition für ein Integrationsgesetz stoßen auf verhaltenes Echo bei Experten. Das ergab eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, bei der auch Anträge der Linken und der Grünen beraten wurden. Das Gesetz soll die Integration von Flüchtlingen erleichtern.
Die Große Koalition will für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (mit Ausnahme von Bewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten) zusätzliche Ein-Euro-Jobs schaffen. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete sollen außerdem leichter eine Berufsausbildung absolvieren können. Weiterhin wollen Union und SPD die Niederlassungserlaubnis für anerkannte Flüchtling an Integrationsleistungen wie „hinreichende Sprachkenntnisse“ knüpfen und eine Wohnsitzzuweisung einführen.
Ursula Gräfin Praschma vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berichtete von einem „beispiellosen Andrang“ auf die Integrationskurse seit deren Öffnung für Asylsuchende im Oktober 2015. Es gebe eine hohe Eigenmotivation der Geflüchteten.
Die geplanten 100.000 Ein-Euro-Jobs mit reduzierter Aufwandsentschädigung beurteilten einige Experten kritisch. Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag und Helmut Fogt vom Deutschen Städtetag forderten, Flüchtlingen ebenfalls den Regelsatz für Ein-Euro-Jobs zu zahlen, denn die auf 80 Cent reduzierte Aufwandsentschädigung sei ein „unverhältnismäßigen Aufwand“ für die Sozialverwaltungen.
Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vermutete, dass Ein-Euro-Jobs zur Kostenreduzierung in Aufnahmeeinrichtungen eingesetzt würden und damit in Konkurrenz zu regulären Beschäftigungsverhältnissen auf dem lokalen Arbeitsmarkt treten. Sie forderte, dass Flüchtlinge in Ausbildung anstelle der Duldung einen gesonderten Status erhalten. Der oftmals nicht selbstverschuldete Abbruch einer Ausbildung dürfe nicht automatisch dazu führen, dass ein Flüchtling ausgewiesen werde. Die Wohnsitzauflage sowie die Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs betrachtet der DGB kritisch.
Carmen Bârsan von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte den Ansatz des Gesetzesvorhabens. Er gehe aber an einigen Stellen nicht weit genug. So sollten geduldeten Flüchtlingen nicht erst ab 2018, sondern ab sofort Förderinstrumente der Berufsausbildung zur Verfügung stehen. Die vorgesehene Meldepflicht bei Ausbildungsabbruch sei richtig, dürfe aber nicht dem Ausbildungsbetrieb aufgebürdet werden. Zudem empfahl Bârsan, dass Absolventen einer Ausbildung nach zweijähriger Berufstätigkeit erleichterten Zugang zu einer Niederlassungserlaubnis erhalten.
Grundsätzliche Kritik kam von Petra Zwickert von der Diakonie Deutschland. Sie kritisierte, dass das Gesetz geflüchteten Menschen einen mangelnden Integrationswillen unterstelle sowie „sanktioniere anstatt zu ermutigen“.
Zum Weiterlesen:
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