5. Februar 2020
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Frage einer Neuregelung von Sanktionen im Hartz-IV-System im Raum. Vier Arbeitsminister der Union sprechen sich in einem nun veröffentlichten Forderungspapier für eine Erhaltung von Vollsanktionen aus.
Vier Landesarbeitsminister der Union, Karl-Josef Laumann (Nordrhein-Westfalen, CDU), Nicole Hoffmeister-Kraut (Baden-Württemberg, CDU), Kerstin Schreyer (Bayern, CSU) und Harry Glawe (Mecklenburg-Vorpommern, CDU), plädieren in einem gemeinsamen Forderungspapier für die Fortsetzung von sogenannten Vollsanktionen gegen Beziehende von Hartz-IV-Leistungen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 5. November 2019 ist eine Reform der gesetzlichen Regelungen zu Sanktionen im Hartz-IV-System nötig.
Urteil: Auch Vollsanktionen können verfassungsgemäß sein
Mit seinem Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht einen Teil der Sanktionen im Hartz-IV-System für verfassungswidrig erklärt. Kürzungen gegenüber über 25-Jähringen von mehr als 30 Prozent der Sozialleistung bei Verletzungen der Mitwirkungspflicht seien laut Urteil im Regelfall nicht verfassungsgemäß. Allerdings schlossen die Richter im Urteil nicht gänzlich aus, dass im Einzelfall auch eine hundertprozentige Leistungskürzung, also eine Vollsanktion, verfassungsgemäß sein kann.
Auf eben diesen Umstand beziehen sich die vier Arbeitsminister in ihrem Forderungspapier. Die Erhaltung der Vollsanktionen wollen sie in einer Neuregelung der Anspruchsvoraussetzungen erreichen. Personen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen und mit dieser ihre Hilfebedürftigkeit verringern oder beenden könnten, hätten keinen Anspruch auf existenzsichernde Hartz-IV-Leistungen: „Ein Leistungsberechtigter, der beharrlich eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit ablehnt, erhält keine oder keine vollen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mehr (ohne Kompensation durch Sachleistungen), soweit und solange die Möglichkeit eines Einkommens durch Aufnahme einer Arbeitsmöglichkeit besteht.“ Rechtliche Grundlage für die Vollsanktionen wäre demnach nicht wie bisher eine „Pflichtverletzung“ wie beispielsweise der Abbruch einer Maßnahme oder ein Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung.
Über 6.000 Vollsanktionierte im Monat
Auch wenn es sich um einen vergleichsweise kleinen Personenkreis handelt, zeigt die Statistik der BA, dass monatlich tausende Menschen in Deutschland mit einer Vollsanktion belegt wurden. In den Fällen einer Vollsanktion werden den Leistungsbeziehenden nicht nur die Regelsätze für die Bedarfe des täglichen Lebens, sondern auch die Kosten für die Unterkunft gestrichen. Kritiker führen als Argument gegen Vollsanktionen daher an, dass diese zur Wohnungslosigkeit führen können und prekäre Lebensverhältnisse verhärten.
Vor den genannten Arbeitsministern hatte bereits die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf das Urteil aus Karlsruhe reagiert und neue fachliche Weisungen zu Leistungskürzungen verabschiedet. Diese weisen von den Forderungen im Papier der Arbeitsminister erheblich ab. Laut den BA-Weisungen sind Sanktionen über die Höhe von 30 Prozent hinaus generell nicht zulässig – unabhängig vom Alter der sanktionierten Person und vom Anlass der Leistungskürzung. Die zuvor schärferen Kürzungen für unter 25-Jährige und addierte Leistungskürzungen aufgrund von mehreren Sanktionen wurden somit vonseiten der BA ausgesetzt.
von Lena Becher
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