12. August 2015
(o-ton) Fast jeder zweite Arbeitslose ist ungelernt. Dennoch fördert die Bundesregierung nur wenige von ihnen mit einer Maßnahme, die zu einem Berufsabschluss führt. Das geht aus der Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linken hervor.
1,3 Millionen Arbeitslose hatten im Jahr 2014 keine abgeschlossene Berufsausbildung – 45 Prozent der insgesamt rund 2,9 Millionen Arbeitslosen. In den letzten Jahren ist der Anteil der Ungelernten an allen Arbeitslosen zudem gestiegen. Denn bei insgesamt deutlich gesunkenen Arbeitslosenzahlen blieb ihre Zahl relativ konstant.
Dennoch fördert die Bundesregierung nur wenige Ungelernte bis zu einem Berufsabschluss. Im Jahr 2014 nahmen monatsdurchschnittlich 66.000 Personen an einer entsprechenden Maßnahme teil – lediglich rund fünf Prozent der 1,3 Millionen Arbeitslosen ohne Berufsabschluss.
Zwar ist der Anteil der Geförderten gegenüber den Vorjahren leicht gestiegen, das Niveau von Anfang der 2000er-Jahre, als um die zehn Prozent der ungelernten Arbeitslosen an einer Maßnahme mit Berufsabschluss teilnahmen, wird jedoch nicht annähernd erreicht.
Arbeitsmarktpolitik stärker an der Fachkräftesicherung ausrichten
Experten sprechen sich bereits seit längerem für mehr Investitionen in berufsqualifizierende Weiterbildung aus. Prof. Dr. Bosch von der Universität Duisburg-Essen forderte bei einer Anhörung im Bundestag, die Arbeitsmarktpolitik viel stärker an der Fachkräftesicherung auszurichten und mehr Arbeitslose beruflich zu qualifizieren (O-Ton berichtete).
Oft hindern finanzielle Nachteile Arbeitslose an einer beruflichen Weiterbildung. Gerade bei Arbeitslosen im Hartz-IV-System bedeutet die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme finanzielle Nachteile gegenüber kurzfristigen Hinzuverdienstmöglichkeiten oder auch Ein-Euro-Jobs. So gaben 44 Prozent der im Rahmen des Adult Education Surveys 2014 befragten Personen an, sie könnten es sich nicht leisten, über einen längeren Zeitraum eine Weiterbildung zu absolvieren.
Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz kritisiert die Fehlanreize bei der beruflichen Weiterbildung bereits seit langem. Er fordert ein Qualifizierungsprogramm, wie es bis Mitte der 1970er Jahre gab. Erwachsene erhielten ein Unterhaltsgeld von bis zu 90 Prozent des letzten Nettoentgelts, wenn sie bereit waren, in einen als zukunftsträchtig wahrgenommenen Beruf umzuschulen beziehungsweise einen ersten Abschluss zu erwerben.
„Volkswirtschaftlich (und gesellschaftspolitisch) würde sich eine solche Investitionsoffensive in das Humanvermögen der Menschen mehr als lohnen, es würde sich um ein Vielfaches auszahlen, wenn man auf dem Schirm hätte, was die zu Facharbeitern, Handwerkern usw. umgeschulten bzw. qualifizierten Menschen über Jahrzehnte an Steuern und Sozialbeiträgen leisten würden bzw. könnten. Allerdings verweist das auf die Notwendigkeit einer „richtigen“ volkswirtschaftlichen Perspektive, denn der „return on investment“ wird eben nicht im nächsten Haushaltsjahr realisiert, sondern wir sind hier mit time-lags von mehreren Jahren zwischen Investition und den Rückflüssen konfrontiert“, so Sell.
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