1. September 2014
(o-ton) Die Jobcenter kümmern sich kaum um die Kontrolle von sittenwidrigen Löhnen. Das ist das Ergebnis einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Nur bei einem Drittel der Verdachtsfälle einer zu niedrigen Bezahlung ermittelten sie. Grundsätzlich halten sie diese Aufgabe für wenig bedeutend.
Rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland gehörten 2013 zu den Aufstockern. Sie arbeiteten zwar, erhielten aber dennoch Hartz IV-Leistungen, weil das Einkommen allein nicht für den eigenen oder den Lebensunterhalt der gesamten Familie reichte. Häufig sind Niedriglöhne das Problem. Hier liegt es in der Verantwortung der Jobcenter zu prüfen, ob der Lohn nicht nur niedrig, sondern auch sittenwidrig ist, also weniger als zwei Drittel des in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion gezahlten tariflichen beziehungsweise ortsüblichen Lohns beträgt.
Ist das der Fall, steht dem Arbeitnehmer die übliche Vergütung zu und dem Jobcenter die Rückerstattung der geleisteten Zahlungen. Die Jobcenter sind gesetzlich beauftragt, diese Ansprüche zu prüfen und geltend zu machen. In der Praxis erfüllen sie ihre Aufgabe allerdings nur mangelhaft, wie eine unveröffentlichte Prüfung des Bundesrechnungshofs ergeben hat, die O-Ton Arbeitsmarkt vorliegt.
Zwischen September 2013 und Januar 2014 identifizierten die Prüfer 374 Fälle mit bekanntem Stundenlohn in insgesamt acht Jobcentern. Bei 122 Fällen lag der Verdacht einer sittenwidrigen Entlohnung vor – darunter besonders häufig bei Minijobs. Die Jobcenter ermittelten allerdings nur in 39 Prozent dieser Fälle. Der großen Mehrzahl der potentiell sittenwidrigen Löhne (61 Prozent) gingen die Jobcenter nicht nach.
Bei den wenigen Fällen, die die Jobcenter untersuchten, stießen sie allerdings nahezu ausschließlich (in 40 von 47 Fällen) auf eine tatsächlich sittenwidrige Bezahlung. Dennoch hielten es nur drei der acht Jobcenter für bedeutsam, sittenwidrige Löhne zu prüfen und zu ahnden.
Hinzu kommt, dass den Jobcentern in vielen Fällen gar keine oder veraltete Informationen zum Stundenlohn vorlagen und sie diese auch nicht anforderten beziehungsweise aktualisierten. Dies traf auf 121 der 495 Fälle zu, die der Bundesrechnungshof insgesamt prüfte. Hier waren Ermittlungen von vorneherein ausgeschlossen.
Bundesrechnungshof beklagt fehlende Unterstützung der Jobcenter
Die Prüfer des Bundesrechnungshofs fragten zudem nach dem Vorgehen bei der Prüfung sittenwidriger Löhne und kamen zu dem Ergebnis: „Die Jobcenter haben Schwierigkeiten, sittenwidrige Löhne festzustellen, weil sie von der Bundesagentur für Arbeit und den zuständigen Landesministerien nicht ausreichend unterstützt werden.“
Zwar gebe es Arbeitshilfen der Bundesagentur für Arbeit, diese seien aber nur eingeschränkt hilfreich, da sie lediglich die geltende Rechtslage erläuterten und auf diverse Internetauftritte verwiesen. Eine Hilfestellung, wie im Einzelfall der ortsübliche Vergleichslohn ermittelt werden könne, gebe es allerdings nicht.
Der Bundesrechnungshof fordert daher die Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit auf, die in den einzelnen Branchen geltenden ortsüblichen Löhne zu ermitteln und allen Jobcentern zugänglich zu machen. Darüber hinaus sollten sie eine Sammlung mit den in ihrem Bezirk geltenden Tarifverträgen vorhalten, falls diese nicht allgemein zugänglich seien. In den Einkommensbescheinigungen sollte zudem der monatliche Stundenumfang oder der Stundenlohn erfasst werden. Das erleichtere den Jobcentern die Ermittlung von und das Eingreifen bei sittenwidrigen Löhnen.
Zum Weiterlesen:
Bundesagentur für Arbeit, Erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Bezieher