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Statistik über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: Falsche Daten? Egal!

(o-ton) Die regionalen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen enthalten immer wieder falsche Daten einzelner Jobcenter. Liefern diese nicht innerhalb von drei Monaten die richtigen Werte nach, bleiben sie unkorrigiert. Das verfälscht die gesamte Bundesstatistik, kritisiert das Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz.

Die Bundesstatistik über die Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beruht auf den Datenlieferungen der einzelnen Jobcenter. Immer wieder kommt es vor, dass diese falsche Werte übermitteln. Fällt das in den Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit auf, wird um Korrektur gebeten. Geschieht das allerdings nicht innerhalb von drei Monaten, wird der Wert festgeschrieben – egal wie daneben die Datenlieferung auch liegen mag. Es wird weder ein plausibler Wert auf Basis der Vormonate errechnet, noch ein fehlender Wert eingetragen. Das verfälscht auch die Bundesstatistik.

Beispiel Groß-Gerau in Hessen: Bei der Förderung von Arbeitsverhältnissen, einer Maßnahme der öffentlich geförderten Beschäftigung, meldete das dortige Jobcenter im Mai und Juni 2013 einen Anstieg der Teilnehmerzahlen von 16 auf rund 1.000 Personen! In allen übrigen Monaten nahmen im Mittel 15 Personen teil. Die zuständige Regionaldirektion bestätigte, dass die beiden Werte fehlerhaft seien. Die Maßnahme hatte zu diesem Zeitpunkt bundesweit etwa 6.000 Teilnehmer. Ein Plus von 1.000 Teilnehmern, die es tatsächlich gar nicht gibt, fällt da deutlich ins Gewicht. Entsprechend stieg auch die bundesweite Teilnehmerzahl im Mai auffällig. Korrigiert wurden diese stark fehlerhaften Daten auch nach Hinweis der Hochschule Koblenz bis heute nicht.

Bundesagentur für Arbeit hält Fehler für tolerierbar

Der Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit bestätigte gegenüber dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik den Fehler – hält ihn aber für tolerierbar. Der Fall Groß-Gerau sei zwar problematisch, die Regel sei dies aber nicht. Grundsätzlich gebe es Über- und Untererfassungen, die sich auf Bundesebene wieder ausglichen. Korrekturen seien zudem technisch nicht möglich und müssten per Hand erfolgen. Dies sei ein zu großer personeller Aufwand. Man habe sich daher darauf geeinigt, die fehlerhaften Werte zu verwenden.

Ein Einzelfall ist Groß-Gerau jedenfalls nicht. Vier Jobcenter lieferten im Jahr 2014 falsche Daten, eines von ihnen sogar jeden Monat. 2013 waren es acht Jobcenter. Und auch im laufenden Jahr 2015 ist das Problem längst nicht behoben.

Beispiel Halberstadt in Sachsen-Anhalt: Bei mehreren Maßnahmen tauchen im Januar 2015 sehr hohe und von den Vormonaten stark abweichende Werte bei den Zugängen in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf. Die Gesamtzahl der Neuzugänge in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im dortigen Jobcenter Harz stieg deshalb zwischen Dezember 2014 und Januar 2015 von 675 auf über 4.600. Auch hier bestätigte die zuständige Regionaldirektion, das Jobcenter habe das gesamte bisherige Jahr falsche Werte geliefert.

Kein Hinweis auf falsche Daten in der Bundesstatistik

Die Fehler seien zwar vorhanden, allerdings weise man im entsprechenden Statistikdokument grundsätzlich mit einer Fußnote darauf hin, heißt es von Seiten der BA. Bei Groß-Gerau ist dies aber nicht der Fall. Und auch in der Bundesstatistik fehlt die Fußnote neben der entsprechenden Maßnahme.

Man muss schon intensiv suchen, um im Anhang den allgemeinen Hinweis zur Plausibilität des Übermittlungsverfahrens XSozial zu finden, mit dem die betroffenen Jobcenter arbeiten. Hier heißt es schlicht: „Bei Trägern, die über den Datenstandard XSozial-BA-SGB II melden, ist es möglich, dass die Daten als nicht plausibel eingestuft werden.“ Verwiesen wird zudem via Link auf eine Tabelle. Sie gibt an, welche Jobcenter in welchem Berichtsmonat falsche geliefert haben. Welche Maßnahmen in welchem Umfang betroffen sind, geht aus dieser Tabelle aber nicht hervor.

Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz kritisiert diesen leichtfertigen Umgang mit Statistikfehlern scharf. „Man muss sich offenbar Monat für Monat fragen, ob die Bundesstatistik Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen enthält, die es tatsächlich nie gegeben hat. Das ist keine Lappalie, denn auf Basis dieser Daten werden arbeitsmarktpolitische Entscheidungen getroffen. Wenn falsche Daten die Bundesstatistik teils massiv verzerren, kann das zu falschen Schlüssen auf politischer Ebene führen, die zahlreiche Langezeitarbeitslose betreffen.“

Zum Weiterlesen:

Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihen zu ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – Kreise – Groß-Gerau (Juni 2015)

Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihen zu ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten – Deutschland, Länder, Regionaldirektionen, Sachsen – Anhalt -Thüringen, Regionaldirektion (Juni 2015)

Bundesagentur für Arbeit, Plausibilität der Daten von Teilnehmern in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, auf Basis der an die BA n. § 51b SGB II übermittelten Daten (XSozial, Modul 13), differenziert nach SGB II – Trägerdienststelle (Juni 2015)