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Teilhabelücke: Hartz-IV-Empfänger fühlen sich gesellschaftlich ausgegrenzt

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Hartz-IV-Bezug beeinflusst das soziale Teilhabeempfinden – sowohl bei Arbeitslosen als auch bei Aufstockern. Das zeigt eine Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen. In den letzten Jahren hat sich die Situation aber verbessert.  

Menschen im Hartz-IV-System haben ein geringes gesellschaftliches Zugehörigkeitsgefühl. Das gilt nicht nur für die, die keine Arbeit haben, sondern auch für Aufstocker, die arbeiten, aber unter Hartz-IV-Satz verdienen.

Auf einer Skala von eins (ausgeschlossen) bis zehn (zugehörig) verorten sich arbeitslose Hartz-IV-Empfänger zuletzt bei 6,2, Aufstocker bei 6,9. Erwerbstätige, die ihren Lebensunterhalt selbstständig bestreiten können, bewerten ihre soziale Teilhabe mit 8,0 Punkten erwartungsgemäß deutlich besser, aber selbst Arbeitslose in der Arbeitslosenversicherung fühlen sich mit 7,4 Punkten zugehöriger als Erwerbstätige im Hartz-IV-System. Diese Teilhabelücke zeigt eine Auswertung des Sozialwissenschaftlers René Lehweß-Litzmann vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen.

Entscheidend für das Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit oder Ausgrenzung scheint also nicht Arbeit an sich zu sein, sondern die finanzielle Situation und die Dauer der Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen.

Quelle: Lehweß-Litzmann, Teilhabelücke im Grundsicherungsbezug besteht, vermindert sich aber seit 2008, S.15

Die wahrgenommene Ungleichheit zwischen Hartz-IV-Beziehern und Personen außerhalb des Hartz-IV-Systems lässt sich ebenfalls beim Lebensstandard, der Lebenszufriedenheit und der sozialen Position in der Gesellschaft feststellen. Zudem seien Hartz-IV-Bezieher häufiger sozial isoliert, deutlich seltener in gesellschaftlichen Organisationen aktiv und schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein als Personen außerhalb des Hartz-IV-Systems, so Lehweß-Litzmann.

Teilhabeempfinden hat sich in den letzten Jahren allgemein erhöht

Zwischen 2008 und 2014 habe sich die Lage allerdings im Allgemeinen verbessert, so der Sozialforscher. Sowohl die Arbeitslosen und Erwerbstätigen im Hartz-IV-System als auch die Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung bewerteten ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft, ihren Lebensstandard, ihre soziale Stellung und die allgemeine Lebenszufriedenheit über die letzten Jahre zunehmend besser. Nur bei den sozialen Beziehungen und dem gesundheitlichen Wohlbefinden sei der Effekt nicht zu beobachten. Bei den Erwerbstätigen ohne Leistungsbezug hingegen gebe es keine wesentlichen Veränderungen. Im Vergleich mit ihnen wird die Teilhabelücke kleiner.

Gründe: Gewöhnungseffekt und Aufschwung am Arbeitsmarkt

Bei den Hartz-IV-Empfängern vermutet der Forscher Gewöhnungseffekte hinter den gestiegenen Werten. „So ist es z.B. möglich, dass in der im Laufe der Beobachtungsperiode kleiner werdenden Gruppe von SGB-II-Leistungsbeziehenden die arbeitsmarktferneren als „Bodensatz“ verbleiben. Gerade diese könnten prinzipiell ein subjektiv besseres Erleben des SGB-II-Leistungsbezugs haben, eben weil sie sich stärker mit dieser Lage arrangiert haben als Personen, die noch nicht lange und aller Voraussicht nach auch vorübergehend unter den Bedingungen des SGB II leben“, heißt es in der Studie. Bei den Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung hingegen könne der Aufschwung am Arbeitsmarkt, von dem sie stärker profitieren, eine Erklärung sein.

Die Studie basiert auf Daten des Panels Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Im Rahmen des PASS werden jährlich mehr als 15.000 Personen in 10.000 Haushalten befragt.

Zum Weiterlesen:

Lehweß-Litzmann, René, Teilhabelücke im Grundsicherungsbezug besteht, vermindert sich aber seit 2008, soeb-Working Paper 2016-4