7. Juli 2017
Die Ausnahmeregelung vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose erhöht nicht die Chancen Langzeitarbeitsloser am Arbeitsmarkt. Dies geht aus einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Damit hat die Ausnahmeregelung ihre politische Zielsetzung verfehlt. Stattdessen führt die diskriminierende Regelung zu einer weiteren Benachteiligung von Langzeitarbeitslosen.
Langzeitarbeitslose können während der ersten sechs Monate einer neu aufgenommenen Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen sein. Diese Regelung besteht seit Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro (jetzt 8,84 Euro) in 2015. Um die Regelung zu nutzen, müssen Langzeitarbeitslose eine entsprechende Bescheinigung beim zuständigen Jobcenter bzw. Bundesagentur für Arbeit beantragen. Mit dieser Bescheinigung darf der Arbeitgeber dem vormals langzeitarbeitslosen Arbeitnehmer im ersten halben Jahr der Beschäftigung ein Stundenlohn unterhalb des Mindestlohns zahlen.
Nur wenige Langzeitarbeitslose nutzen Ausnahmeregelung
Ein Evaluationsprojekt des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt jedoch, dass diese Ausnahmeregelung kaum genutzt wird. Nur zwei Prozent der befragten (vormals) Langzeitarbeitslosen hatten eine derartige Bescheinigung beantragt. Zusätzlich wurde die Bescheinigung in rund einem Viertel der Fälle überhaupt nicht genutzt.
Eigentliches Ziel der Ausnahmeregelung war, Hürden bei der Arbeitssuche für Langzeitarbeitslose abzubauen. Die gesetzliche Ausnahmeregelung sollte die Einstellungschancen von Langzeitarbeitslosen erhöhen. Langzeitarbeitslose haben durchschnittlich geringere Aussichten auf einen Arbeitsplatz (O-Ton berichtete). Mit dem geringeren Stundenlohn sollten sie für potenzielle Arbeitgeber attraktiver werden. Die Untersuchung des IAB belegt aber, dass dieses Ziel verfehlt wurde.
Diskriminierung von Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt
Aus der Untersuchung des IAB geht auch hervor, dass sich nicht die Ausnahmeregelung, sondern die Einführung des Mindestlohns an sich, für Langzeitarbeitslose positiv auswirkte. Vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns stieg mit wachsender Dauer der Arbeitslosigkeit die Wahrscheinlichkeit, einen Stundenlohn unter 8,50 Euro zu erhalten. Mit der Einführung des Mindestlohns wurde dieses Muster aufgebrochen.
Das IAB resümiert, dass die Ausnahmeregelung die Perspektiven von Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt nicht verbessert hat. Die Einführung des Mindestlohns hätte sich weder für Arbeitslose noch für Langzeitarbeitslose auf die Wahrscheinlichkeit einer Einstellung ausgewirkt. Zudem käme es bei Langzeitarbeitslosen mit Ablauf der Ausnahmeregelung nach sechs Monaten auch nicht zu einem sprunghaften Anstieg von Entlassungen.
Ausnahmeregelung diskriminiert Langzeitarbeitslose
Daraus lässt sich schließen, dass der zu zahlende Stundenlohn aus Sicht des Arbeitgebers ein nachrangiger Faktor bei der Einstellung eines Langzeitarbeitslosen ist. Andernfalls wäre die Ausnahmeregelung stärker genutzt worden. Laut der IAB-Untersuchung deckt sich diese Beobachtung mit der Einschätzung der zuständigen Arbeitsvermittler in Jobcentern und Arbeitsagenturen. Folglich würde ein Mindestlohn, der ausnahmslos auch für Langzeitarbeitslose gilt, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auch nicht schmälern.
Im Gegensatz dazu vermutet die Untersuchung, dass Langzeitarbeitslose durch die Ausnahmeregelung eher demotiviert werden, da ihnen der Anreiz einer angemessenen Entlohnung zur Arbeitsaufnahme fehlt. Somit wird die Benachteiligung von Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt durch die Ausnahmeregelung von Mindestlohn also verschärft, statt verringert.
von Lena Becher
Zum Weiterlesen: