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Wie Tarifverträge der Leiharbeitsreform die Zähne ziehen

amnews-2-300x190Die Reform zur Regulierung der Leiharbeit sollte den unbegrenzten Einsatz von Leiharbeitern verhindern und ihnen eine bessere Bezahlung garantieren. Nun zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen im Bundestag: Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Reform unterschreiten über 100 Tarifverträge die ursprünglich geplanten Mindeststandards.

Vor zwei Jahren, im April 2017, trat die Reform der alten und neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD zur Regulierung der Leiharbeit in Kraft. Ziel der Reform war, den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit einzudämmen und eine Gleichstellung von Leiharbeitern mit der Stammbelegschaft hinsichtlich der Löhne („Equal Pay“) herzustellen. Mit der Reform wurde festgelegt, dass Leiharbeiter nach spätestens neun Monaten den gleichen Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft im entleihenden Betrieb und sie maximal 18 Monate durchgängig bei demselben Unternehmen eingesetzt werden dürfen. So sollte auch erreicht werden, dass Leiharbeit ausschließlich dazu genutzt wird, zeitlich begrenzte und kurzzeitige Arbeitsspitzen abzudecken.

Die Reform schaffte allerdings auch Raum für tarifliche Regelungen, die von dem Mindeststandard des damaligen Gesetzes abweichen. Nach Aussage der Bundesregierung sollen auf diesem Wege Interessen der Stammbelegschaft in den Einsatzunternehmen berücksichtigt und „den spezifischen Bedürfnissen der jeweiligen Einsatzbranche“ Rechnung getragen werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag wollte zwei Jahre nach Inkrafttreten der Reform von der Bundesregierung wissen, ob deren Ziele erreicht werden konnten und hat hierzu eine Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort der Bundesregierung fällt zurückhaltend aus: Zu den meisten Fragen der Grünen sei eine Bilanzierung noch nicht möglich, da die entsprechenden Daten noch nicht vorlägen.

Viele Tarifverträge erfüllen nicht die geplanten Mindeststandards

Allerdings zeigt die vorliegende Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen, dass Tarifverträge die Mindeststandards der Reform aushöhlen, vor allem in Hinblick auf die maximale Verleihdauer. Laut Antwort der Bundesregierung bestanden im April 2019 109 Tarifverträge, in denen die maximale Dauer der Überlassung an das selbe Unternehmen auf mehr als 18 Monate ausgeweitet wurde. Die Höchstdauer wurde in den Tarifverträgen auf 24 bis zum Teil sogar 120 Monate ausgeweitet. Die beschäftigten Leiharbeitnehmer könnten also abweichend von den in der Reform vorgesehenen eineinhalb Jahren bis zu zehn Jahre in dem selben Betrieb eingesetzt werden.

Darüber hinaus existieren nach Angaben der Bundesregierung 27 Tarifverträge, die erst nach spätestens 15 statt 9 Monaten Überlassungsdauer in einem Betrieb die gleichwertige Bezahlung mit den Tarifbeschäftigten vorsehen. Wie viele Beschäftigte von diesen tariflichen Regelungen betroffen sind, ist der Bundesregierung nach eigener Aussage nicht bekannt. Die vorliegenden Antworten verdeutlichen dennoch, dass bei der Eindämmung von Leiharbeitsverhältnissen und den damit verbundenen schlechten Arbeitsbedingungen nicht auf den Abschluss von Tarifverträgen gebaut werden kann.

von Lena Becher



Zum Weiterlesen:

Bilanz zwei Jahre nach der Reform der Leiharbeit, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 29.04.2019, BT-Drs. 19/9779.

O-Ton Arbeitsmarkt, Gefördert von der Arbeitsagentur: Jede dritte Vermittlung führt in Leiharbeit, 15.04.2019.

O-Ton Arbeitsmarkt, Leiharbeit: Beschäftigung mit Drehtüreffekt?, 23.01.2019.

Sell, Stefan (2017), Eine weichgespülte „Reform“ der Leiharbeit und Werkverträge in einer Welt der sich durch alle Qualifikationsebenen fressenden Auslagerungen, in: Aktuelle Sozialpolitik, 01.04.2017.